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1992 - 2024
32 Jahre entwicklungspolitische Arbeit

 

Zu Besuch bei den Maka
von Hermann Schmitz † 30.03.2019
01.06.12     A+ | a-
Man muss zweimal hinschauen: Kein Müttertreff in einem bürgerlichen Viertel Asuncions, sondern indigene Frauen der maká, die in ihrem barrio, einem entlegenen Viertel der Hauptstadt, mit ihren Kindern auf den Stufen ihrer eigenen Schule sitzen.
Die macá lebten ursprünglich im Chaco, noch bis zum Chacokrieg 1930 – 35 zwischen Paraguay und Bolivien verteidigten sie ihren Lebensraum und ihre Identität. Nach dem Krieg wurden sie nach Asunción „verbracht“, wo sie immer noch wie in einem Reservat leben, andererseits aber auch ein ziemlich selbstverständlicher Teil der Gesellschaft sind. Zumal man sie überall, bis ins Stadtzentrum, sieht, sogar am Abend wie auf dem Foto.
Da verkaufen sie nicht nur ihre Folkloreartikel, sondern produzieren auch unaufhörlich neue, während sie auf die spärlichen Touristen warten  -   die berühmten pulseras zum Beispiel, die Freundschaftsbändchen, die auch in Kempen schon so manchen Freund gefunden haben. Sie leben gar nicht mal schlecht davon.

Die Makámutter hatte mich gestern in ihrem Dorf gesehen, sie erzählt mir, dass sie bis etwa 21 Uhr bleiben und dann von Douglas abgeholt werden. Douglas? Das war doch mein Begleiter im Dorf, einen Tag zuvor, der sofort meinen Touristenstatus erkannt und mir seine Begleitung „angeboten“ hatte. Das machen sie geschickt: Sie lassen niemanden auf eigene Faust in ihr Dorf, sondern kassieren für Fotos, Führung und Folklore. Das ist er, Douglas, ehemals cacique (Häuptling), jetzt runtergestuft auf Touristenführer. (Ob er das auch so empfindet?)

Er spricht gebrochen spanisch  -  und fast ein besseres Deutsch. Deutsch? Jawohl, wenn auch eher ein Plattdeutsch. Das hat er als Arbeiter bei den Mennoniten im Chaco gelernt, eigentlich bei nur einem Mennoniten, „beim Wiebe“, wie er deutlicher nicht akzentuieren könnte.

Über seinen Patrón, seine Arbeit, die Bezahlung und Behandlung bei den Mennoniten äußert er sich sehr zufrieden. Douglas gehört zu den eher wenigen macá, die von der Hauptstadt aus hin und wieder zum Jagen in ihre alte Heimat fahren, oder die dort bei den Mennoniten Arbeit suchen. Die meisten aber haben wenig Interesse, ihr traditionelles Stammesgebiet wieder zu erlangen, sie scheinen zufrieden mit dem ökonomischen und Überlebensraum, den sie gefunden haben.

Eigentlich erstaunlich, dass diese Gruppe von Indigenen, die von allen den intensivsten und dauerhaftesten Kontakt mit der sie umgebenden Gesellschaft hat, trotzdem einen Großteil ihrer Kultur bewahrt hat, ihr Idiom eingeschlossen. Hier spielen sie  -  stundenlang, wie Douglas erzählt  -  ein Geschicklichkeits – und Zukunftsratespiel, die fallenden harten Hölzchen klappern laut durch´ s Dorf. Anzughose und Oberhemd, Armbanduhr und Mategefäß gehören wie selbstverständlich dazu, die Kleidersammlung macht´ s möglich..

Holt dahinten etwa ein Maká den Federschmuck raus?

Hat er es damit auf mich abgesehen?

Das „Umziehen“ ging ruckzuck  -  genaueres Betrachten würde eine Gebühr nach sich ziehen, teilt mir Douglas mit. (Haben die vielleicht einen Katalog?) Und jetzt fällt es mir wie Federn aus dem Kopfschmuck: Das war doch vor fast 40 Jahren schon genau so, als wir kurz nach unserer Ankunft in Paraguay die macá auf ihrer Halbinsel am Rio Paraguay besuchten  -  als Familienausflug sozusagen...

Damals war bei den Makáfrauen das Hochziehen der Pullover zur Brustbesichtigung eine besondere Variante im „Angebot“, das machte  einen Dollar extra. Bei mehreren Frauen war Rechnen angesagt, denn jeder Busen zählte. Nur konsequentes Wegkucken half, und ich weiß noch, dass ein Amerikaner ganz schön ins Schwitzen kam und er am Ende mit einem Bündel Dollarscheinen bezahlen musste. Was Peinlicheres haben wir kaum erlebt.......
Nein, das würden die Makáfrauen heute keinesfalls mehr machen, sagt Douglas kategorisch. Diese hier machen sich gerade bereit zum Sport, sie freuen sich auf ihr Volleyball!

In ihren langen Röcken spielen sie ausdauernd  -  nicht gerade nach unseren Regeln, aber sehr geschickt und engagiert  -   und es klatscht auch viel lauter. Das Zuschauen macht richtig Spaß, nicht nur mir. Zwei Tage später im Zentrum von Asunción: Schluss mit Folklore, da besetzt bzw. „belegt“ eine Indigenen- gruppe aus der Nähe von Concepción für viele Stunden eine wichtige Straße.Die Polizei hält sich zurück.

Ich höre von ihnen immer wieder die Klage, dass Präsident Lugo endlich seine Versprechen einlösen soll, den Indigenen einen überlebensgemäßen und würdigen Platz in der Gesellschaft und auf dem Land zu geben.  Nicht aus Großmut, sondern der Verfassung gehorchend.

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