„Reservat San Rafael“ - wer den Bioschutzraum, der später Nationalpark werden soll, besuchen will, der muss, von den südlichen deutschen Siedlungen kommend, erst einmal an die 50 km durch eine traurige Wüste abgeernteter Sojafelder fahren. (Er kann diese Erfahrung auch wiederholen, wenn er nach Norden hin den Park verlässt und zig Kilometer weiter fährt. Bis er dann endlich die Grenzstadt Ciudad del Este erreicht, wird er nach so langer Kreuzfahrt durchs Sojameer diese Pflanze sein Lebtag nicht mehr vergessen)! Erblickt man dennoch unverhofft - auf einer Anhöhe oder in einer Senke - einen Überrest an Urwald, so ist das nicht der Pietät der “Sojabarone” zu verdanken, sondern einem “ungünstigen” Verlauf des Geländes, da lohnt eine Aussaat von Soja nicht. Manchmal stehen auch noch, wie zufällig, einige Bäume verloren im Terrain. Wie man auf dem Foto gut sehen kann, machen sie die Tristesse nur noch größer.
Jetzt, im Mai, sieht man nur noch vereinzelt einige Reste der Bohnenpflanze, die im wahrsten Sinne des Wortes nicht ins Gewicht fallen und Paraguays vierten Exportplatz weltweit nicht gefährden. Man muss den Eindruck haben, dass sie angesichts der Riesenerträge einfach vergessen wurden.
Während dieser Fahrt begreife ich, warum ein so kleines Land wie Paraguay einen solchen Spitzenplatz belegen kann.
Hier sieht man, wie das gnadenlose Setzen auf ein Produkt, das schnelles Geld bringt und mit dem auf den Finanzmärkten trefflich spekuliert werden kann, beinahe schon dabei ist, ein ganzes Land zu veränderm - wirtschaftlich, bevölkerungspolitisch, sozialpolitisch und die Umwelt betreffend. Es ist vor allem die Soja, die Paraguays Wirtschaftswachstum von 15 % erklärt. Und dem Land diese Riesenprobleme bringt.
Dafür werden die Sojapflanzer kaum belangt, und wie zur Belohnung zahlen sie nur eine lächerlich geringe Exportsteuer.
Hier in dieser Gegend gibt es schon viele Brasilianer, die groß eingestiegen sind in den Sojaanbau im armen Nachbarland. Ihre Finanzen, ihr Knowhow, die vielen Korruptionsmöglichkeiten und das Versagen der nationalen und der Politik vor Ort - freilich auch ihre Arbeitswut der “brasiguayos” - fegen die Kleinbauern vor Ort, aber auch die Land Suchenden ohne großen Umstand hinweg.
Kein Wunder, dass der Hass auf die ohnehin ungeliebten Nachbarn steigt und die Lage sich immer mehr zuspitzt. (Der weiter unten erwähnte Film “Rausing Resistance” zeigt das beispielhaft.)
Weiter in Richtung brasilianischer Grenze sind es dann fast nur noch Brasilianer, die hier das Sagen haben.
Jetzt müssen wir bald da sein, die letzte kleine Steigung auf der roten Lehmstraße nehmen wir mit 80 Sachen. Hier, wo die Soja Vorfahrt hat, sind die Wege wesentlich besser als man es in Paraguay gewohnt ist.
Es wird nun fast schon lieblich, und bald sind wir auf dem Hof des Schweizer Ehepaares Hostettler, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Park vor allen möglichen Übergriffen zu schützen. Gerade bei Einbrechen der Dämmerung kommt Hans von einem Überflug mit seinem “Ultralight” zurück. Wie er erzählt, hat er wieder einen illegalen Holzeinschlag gesehen und dokumentiert. Den Fall gibt er an die paraguayische Umweltbehörde weiter.
Die Zusammenarbeit sei nicht schlecht, erklärt Hans, was mich nicht wenig erstaunt.
Josef und ich verbringen zwei Tage in dem Park, der auch Einrichtungen für Besucher hat und der vor allen Dingen Umwelterziehung in den nahe gelegenen Schulen betreibt, ein Projekt, das wir unterstützen, indem wir ein Schulungswochenende finanzieren.
Auch die beiden haben erkannt, dass man ganz unten bei den Kleinsten anfangen muss, um langfristig etwas zu erreichen.
Christine führt uns über einen Urwaldpfad, wie immer gibt es eher wenig zu sehen, die ersten Affen sind gerade verreist, vom Tiger nur ein Pfotenabdruck - vielleicht ein bisschen Kot, wenn man Glück hat - und der Tukan lässt sich heute auch nicht blicken. Dafür bevölkern Unmengen von Moskitos den Wald, deren Stiche wir stoisch ertragen im Wissen, dass es hier keine Fälle von Denguefieber gibt.
Abends sehen wir uns mit den Schweizern und ihren Parkwächtern und ein paar Praktikanten aus aller Welt den Film "Raising Resistance" an, den ich wundersamerweise erhalten habe und der zu einer lebhaften Diskussion führt.
Zur gleichen Zeit hat der Film in Deutschland Premiere, den ich allen, die sich für die Sojaproblematik interessieren, aufs schlimmste empfehlen kann. Die im Film gezeigten längst resistenten Unkrautpflanzen entdecken wir auf den Feldern zuhauf.
Wie mag es hier erst nach 5-6 Jahren aussehen, wenn auf Teufel komm heraus Soja produziert wurde, ohne Pause und ohne Schonung der Böden? Der Wald dagegen, die Frische am frühen Morgen, das Erlebnis dieses Ehepaares, das sich dem Schutz Ihrer Umgebung verschrieben hat - das ist die reine Erholung mitten in diesem Albtraum.
Doch viel zu schnell geht es wieder zurück durch die vergewaltigte Landschaft. Später sehen wir die Unmengen von Lastwagen über die Nationalstraßen brettern, die unaufhörlich ihre schwere Sojalast zu den Frachtschiffen Richtung Europa oder China bringen. Und immer mehr Silos, die neuen Kathedralen Paraguays, schießen aus dem Boden, Ihre Aluminiumhäute glitzern in der Sonne.
Ausbildungszentrum für ländliche Entwicklung (CCDA)