Wir sind in Medina bei Pilar und statten erst “unserer” Schule einen Besuch ab. Die Schulleiterin kommt uns entgegen, es ist noch dieselbe wie beim letzten Mal - und leider ist sie nicht kompetenter u. liebenswürdiger geworden. Ihr Mann, ein Coloradopolitiker hat ihr die Stelle verschafft - altes Paraguay. Aber die Eltern versuchen, sie los zu werden ...
Viel Glück!
Nur wenige Kinder sind da, einige Mütter und zwei Väter kommen später.
Die Mütter bereiten ein Essen zu, es gibt “bori bori”, Maisgriesklößchen in Hühnersuppe.
Die Schule macht einen guten Eindruck, alles ist aufgeräumt, auch das Gelände schön bepflanzt, aber jetzt sind wir natürlich neugierig, wie weit die Werkstatt gediehen ist.
Das Metalldach leuchtet uns in sattem Blau entgegen, die weißen Pfeiler heben sich in der Sonne ab und blenden fast die Augen.
Wenn man Santiago berichten hört, und wenn man genauer hinschaut, erkennt man leicht die viele Arbeit dahinter, oft bei glühender Hitze, von der noch oft die Rede sein wird.
Die Hauptwerkstatt für die Metallabteilung ist größer als wir damals vermuteten, der Boden ist fest kompaktiert und hat ein 70 cm tiefes Fundament und darüber einen Estrich, um die schweren Maschinen, die bald per Container kommen, auszuhalten.
In dem kleinen Nebenraum wird ein Büro eingerichtet, ein Drittel ist für das Bad, und auf der anderen Seite entsteht ein weiteres Bad für die Frauen von der Weberei.
Diese schließt sich als Mittelteil an, da steht bereits der gebraucht gekaufte, in der Höhe verstellbare galpón, die Überdachung. Eine etwa hüfthohe Mauer friedet die Webwerkstatt ein.
In der Verlängerung soll die Schreinerei ihren Platz finden, lediglich mit Mauer in halber Höhe und darüber einem Drahtgeflecht, in der Mitte der Container als Depot für die Werkzeuge. Der Boden muss noch befestigt werden, und eine Art Fundament für die Aufnahme des Containers wird jetzt ganz schnell gegossen (dabei packt auch Josef an, Pensionär und eine Art “Senior Expert”, der schon Ideen entwickelt hat.)
Inzwischen hat sich angekündigt, dass der Container wohl am 27. April kommen wird.
Santiago redet viel, er ist hektisch wie immer und spricht aufwändig von den Strapazen, denen sie sich angesichts der Riesenhitze in diesem Jahr ausgesetzt haben. Das kenne ich schon von den Mails.
Ich “kontere “ ungerührt mit unserer Plackerei bei lausiger Kälte - bedauerlicherweise kann ich für das schöne Wort “lausig” keine spanische Entsprechung finden, dafür erfinde ich noch ein bisschen Schnee und Eis dazu!
(Ich bin es gewohnt, in allen Schreiben Santiago prüft die Brücken (fünf), über die der Container ( elf Tonnen) es schaffen muss von der Hitze als durchgehendem Hinderungsgrund für die Berichterstattung an uns als Projektpartner zu lesen. Die Kommunikation war dieses Jahr nämlich nicht gut .....)
In Pilar das gleiche Spiel wie immer: die Leuten glauben, Santiago habe eine Goldader in den alemanes entdeckt und stecke sich das Geld aus dem Ausland in die Tasche, viele Eltern haben nicht mehr geholfen wegen dieses in Paraguay unausrottbaren Misstrauens, und Santiago und Bety sind bis an den Rand des Aufgebens gekommen. Das hat eine lange Tradition in Paraguay, dieses ewige Unterstellen, das über Generationen miserabler Regierungen, Lügen und Korruption zu einer geradezu endemischen Seuche geworden ist.
Santiago hat etwas von einem “Moralprediger”, das altmodische Wort passt:
Selber jemand, der unbestechlich und absolut integer ist, verlangt er Gleiches von anderen und ist da äußerst fordernd, sieht aber nicht so gern die eigenen Fehler und Versäumnisse, von denen er keineswegs frei ist. Daher ist sein moralischer Rigorismus nicht so leicht zu ertragen. (Ich fürchte, diese Schwächen sehe ich so deutlich, weil von mir selber bekannt.)
Zurück zu den Arbeiten: Es ist also noch einiges zu erledigen, trotz und mit Hitze.
Die Hauptinvestition besteht in der Überdachung der Freiluftschreinerei, da wird die Departamentsregierung helfen.
Sie ist fest im Wort, und ich hatte bei einem Gespräch mit dem Gouverneur, wie der Provinzchef hier heißt, den Eindruck, dass sie sich tatsächlich an der Finanzierung beteiligen, im Mai schon sollen Mittel bereitstehen um die Restarbeiten erledigen zu können.
Die Elektrizitätsgesellschaft ist im Wort mit der Einrichtung des Drei-Phasen Stromsystems.
Wir treffen überhaupt auf sehr kompetente und kooperative Leute, und ich habe den Eindruck: Donnerwetter, in Paraguay hat sich doch einiges getan.
Mit dem Erziehungsministerium ist ein Vertrag gemacht worden, da herrscht großes Interesse, die Werkstatt in ihre Unterrichtsprogramme aufzunehmen. Das Ministerium sieht dieses Werkstattprojekt als Modell an, denn es gibt keine solche Einrichtung wie das “Centro de Formación Laboral” (Zentrum für Arbeitsförderung) in Paraguay, das ist erstaunlich wie so vieles. Ziel ist, schwierige und nicht ausgebildete Jugendliche zur Arbeitsfähigkeit anzuleiten und mit basalen Fachkenntnissen und Arbeitstechniken auszustatten. Sonja, die Sozialarbeiterin, soll Leiterin der Werkstatt werden und das gesamte Gemeindeprojekt steuern. Sie erzählt von der Mühsal der Antragstellung und ist freut sich riesig, dass das Projekt bewilligt ist, und dass damit sie und Sandra nun eine feste Stelle mit Bezahlung beim Staat bekommen. Und wir freuen uns, dass unsere Gehaltszahlungen weg fallen .
Entscheidend aber ist, dass die Leitung der Werkstatt bei unseren Partnern von der “Grupo Solidaridad” bleibt, die mit ihrem neuen Vorstand an diese Aufgabe heran gehen.
Es ist auch in diesem Fall wie so oft: in Deutschland machten sich bisweilen Zweifel breit, ob die Partner, in diesem Fall Santiago, es “hinbekommen” haben, oder vielleicht sogar Mist gebaut haben, aber jetzt vor Ort und wenn man Santiago hört und alles mit eigenen Augen sieht und erlebt, verschwinden die Zweifel. Wenn ich Santiago anschaue, tut mir das leid.
Aber trotzdem: Die Stimmung ist nicht wie bei den letzten Besuch, eine leise Spannung liegt in der Luft, und zwischen den Zeilen hört man immer Santiago sich verteidigen.
Die Kommunikation war einfach zu mangelhaft gewesen. Aber das “Fremdeln “ hört bald auf.
Übrigens: Wir sind in miserablen Hotelzimmern untergebracht, genießen aber das Essen in der Nachbarschaft, serviert von einer reizenden Bedienung, die auch Josef einen Extrablick wert ist, und die aber so selbstbewusst ist, dass sie sich über die beiden alten Herren amüsiert.
Es ist herrliches Wetter in Pilar, aber jetzt wird es doch drückender und langsam unangenehm, was wir aber lieber nicht sagen, da sofort auf die unvergleichlich schlimmere Hitzeperiode verwiesen würde .....
Es waren recht anstrengende drei Tage in Pilar, aber es hat sich gelohnt, nicht nur in Bezug auf Santiago und unsere Forderungen an ihn, sondern auch was den Zustand und die Perspektiven für die Werkstatt angeht.
Das Wetter ist hier in Asunción jetzt schrecklich, feucht und regnerisch und warm dabei, ich hoffe ihr habt es besser.
Ich hatte hier jetzt eine Wiederbegegnung der dritten Art, die Zeit war stehen geblieben, als ich im Behandlungsraum von Krampfadernspezialist Dr. Aguero Wagner saß: Ein alter Mann im Operationskostüm, er nuschelt und mosert mit seiner Assistentin herum.
Wagner war in den 70er Jahren unseres Paraguayaufenthaltes Direktor des von uns unterstützten Armenkrankenhauses „Barrio Obrero“ gewesen, mit ihm hatten wir den skurrilen Fall des geraubten Babies bis hin zu politischen Verwicklungen gemeinsam durchgestanden.
Von Wagner die besten Grüße an Ute, er hat eine lebhafte Erinnerung an sie als Leiterin unserer Lehrerhilfsgruppe der Kinderstation. Alles war ihm noch vollkommen präsent. Jetzt kümmert er sich um meine Venen.....
Aber es gibt auch erfreuliche Sachen neben Stützstrümpfen: Josef Terstiege (s.u.) geht es gut, wir sind richtige Freunde geworden und lachen uns kaputt. Oskar ist so oft wie möglich mit von der Partie, und Dr. Cano hat uns schon zu einem köstlichen Abendessen eingeladen.
Am Wochenende sehe ich erstmals die Almadas, Martin Almada hat den gemeinsamen Freund Gerhard Dilger, Südamerikakorrespondent u. a. der „taz“, und mich in sein Haus in Sajonia eingeladen. (Martín erzählt noch mal die Geschichte des Hauserwerbs: Seine Frau Maria Stella, Argentinierin, hatte es gekauft, als er noch in Paris bei der UNESCO arbeitete. Sie kannte Asunción nicht, sonst hätte sie ihr Domizil nicht ausgerechnet in einem Wohngebiet hoher Militärs gewählt.... Nun war es aber so, und irgendwie haben sie sich daran gewöhnt, geschnitten und nicht gegrüßt zu werden. Aber die Angst ist nicht ganz verschwunden)
Gerd kommt morgen, wir haben volle zwei Tage Zeit, und auch ein Besuch und Interview mit Sixto stehen auf dem Programm. Hat aber nicht geklappt, der Mann ist i. M. im Vollstress.
Freude in Saldivar („Josef´ s Schule“): Eltern und Kinder sind glücklich über die neuen Toilettenanlagen. Josef Terstiege aus Münster hatte sich an uns gewandt und um Unterstützung bei seinem kleinen Hilfsprojekt gebeten, das die kontinuierliche Verschönerung einer Primarschule zum Ziel hat. Die Schule wurde vor 10 Jahren von einem seiner zahlreichen Brüder, ein Priester, gegründet und trägt dessen Namen. Letzteres bedeutet eher eine Strafe für Lehrer, Eltern und Schüler, denn alle müssen sie nun seinen Namen aussprechen - „Terstiege“, das i und das e säuberlich getrennt.
Geldüberweisung, Korrespondenz, Kontrolle - das haben wir gern übernommen.
Vor allem war die Projektbegleitung und Rechnungslegung durch PPI-Partner sehr nützlich.
Mein „Lohn“: Kontinuierliche Teilnahme an den jeweiligen Feiern, heute: Kloeinweihung mit deutscher Flagge am Klohäuschen, Reden, Nationalhymne, Tanz und Essen.
Ausbildungszentrum für ländliche Entwicklung (CCDA)