Meinen Besuch im Kinderhort auf dem Großmarkt mit diesem Foto anzufangen, ist natürlich gemein, aber da steht der Abfallcontainer nun mal....
Der Markt schien mir wesentlich belebter als sonst.
Die „Einfahrt“ zum Hort bereitet immer wieder aufs Neue einen Schrecken, obwohl man jetzt ein wenig mehr Ordnung in die Unordnung gebracht hat ,
so stehen jetzt 3 Container statt wie bisher nur einer in guter Sichtweite vor dem Horteingang, das bedeutet zumindest, dass nicht mehr so viel Abfälle lose herumfliegen.
Familien kramen in den faulen Zwiebeln und zermatschten Tomatenhaufen, um noch ein paar brauchbare Exemplare heraus zu fischen, die sie dann in Kartons abtransportieren.
Ein „Sicherheitsbeauftragter“ dieses Marktabschnittes scheint Langeweile zu haben und „überprüft“ die Nahrungssuchenden, schlendert dann zu mir, nachdem er mein Fotografieren bemerkt hat.
Ich bin in der richtigen Laune und lasse ihn schnell auflaufen.
Etwa 25 Kinder sind im Hort, die Begrüßung des Gastes ist nicht mehr so stürmisch wie in den Jahren zuvor, man scheint sich an Besucher gewöhnt zu haben.
Gustavo (ich darf mal mit dem Mann anfangen, das etwas ganz Besonderes in Paraguay!), Daily (Deli gesprochen), Miriam, Gloria und die neue (alte - seit Februar) Praktikantin Mania, die mit ihrer hellen Gesichtsfarbe und den ebenso hellen Rastalocken den recht dunklen Raum regelrecht „beleuchtet“. Sie redet lebhaft über ihre Arbeit.
Elisabeth hält Mania für einen „Glücksfall“, was ich schnell nach vollziehen kann, als ich sie sehr souverän und gleichzeitig liebevoll mit den Kindern umgehen sehe.
Ich begrüße alle und suche das Gespräch mit ihnen - über ihre Arbeit, das Programm, ihre Zufriedenheit, ihre Probleme, den Plan, den Boden des „Lokals“ mit Fliesen auszulegen - und natürlich über das ewige Thema „Zwischendeck“.
Einhelliges Ergebnis: Alle wollen so bald als möglich das ZD, egal zu welcher Zeit, falls nötig, könne man für 1 bis 2 Wochen den Betrieb ausfallen lassen.
Mania will aus dem Fliesenverlegen ein Projekt mit den Kindern machen.
Alle sind irgendwie ratlos und auch frustriert, weil das ZD immer noch nicht installiert ist, Kritik an der Bürokratie der Stadtverwaltung wird laut geäußert. Ein Gespräch mit der Vermieterfirma „Pechugón“ (die Hühner mit der „Riesenbrust“ produziert) halten alle für sinnvoll, mindestens könne es „nicht schaden“.
Alle sind aktiv im Einsatz, mein Eindruck ist, dass es recht strukturiert zugeht und der Morgen planvoll verläuft.
Ich lade meine mitgebrachten Süßigkeiten ab, die in den nächsten Tagen verteilt werden. Alle fünf ErzieherInnen bekommen eine Großpackung Toblerone, die helles Entzücken auslöst, am meisten freut sich erstaunlicherweise die deutsche Schokoladenliebhaberin Mania. Ich bin froh, nicht geknausert zu haben, als ich diese Reaktion erlebe.
Um 10 kommen die zwei freiwilligen, aber professionellen „Capoeira“ – Trainer, die einmal pro Woche eine Gruppe vormittags und eine andere nachmittags trainieren. „Trainieren“ ist es wirklich, wenn man die (älteren) Kinder schwitzen und ihre Vorübungen machen sieht. Und dann wirkliches Capoeira, nicht wie in Brasilien, aber sehenswert! Angedeutete Selbstverteidigung, fast tänzerisch.
Das macht den Kindern Freude, und sogleich erschließt sich dem Betrachter der emanzipatorische Gewinn des Ganzen, erlebt er den Stolz der Übenden.
Ausführliche Bewunderung meinerseits.
Wenn auch draußen vor dem Hort von weitem die roten Lapachos grüßen - es ist doch recht triste. Über den roten Sand des Fußballplatzes treiben Rauchwolken, nebenan wird irgendein Mist verbrannt.
Hinter den Eisengittern, die das Grundstück von dem des Huhn - und Hähnchenproduzenten trennen, türmen sich immer gewaltigere Berge von alten Gerätschaften, verrostendem Eisen u. s. w. auf, kein schöner Anblick.
Eine Gruppe macht sich an den „Bepflanzungsdienst“, mit Spaten, Schaufel und Spitzhacke, die Kleineren gießen derweil das spärlich wachsende Grünzeug am Spielplatzzaun.
Wenn man Mania engagiert mit der schweren Spitzhacke und dem Spaten zu Werk gehen sieht, ist nicht klar, ob sie vorhat, ein Pflanzloch zu graben oder Steine auszubuddeln ...Der Boden ist eine Anschüttung, mit allem möglichen Zeugs unter der dünnen roten Sand- und Lehmschicht.
Das scheint nichts zu werden, das ganze sieht nach einer Nullnummer aus. Aber wer weiß.....
Meine Idee, mal einen Landwirtschaftsschüler aus Regina Marecos als Lehrer für eine Woche zu engagieren, findet freudige Zustimmung.
Um 11 geregeltes Hortende, jedes Kind bekommt heute eine geschälte weiße Apfelsine, die hingebungsvoll ausgelutscht wird. Daily und Mania hatten etwa 50 Apfelsinen auf der Treppe geschält, Mania ist schon genau so geschickt im Schälen wie ihre paraguayische Kollegin.
Mania bleibt insgesamt 1 Jahr im Rahmen des „American Field Service“ (AFS), sie hat in Paraguay, wo sie zunächst partout nicht hin wollte, ihr „Traumland“ gefunden, wohnt jetzt in San Lorenzo in ihrer zweiten Gastfamilie, in der sie glücklich ist.
Sie klagt nicht, noch weniger tratscht sie, wie ich wohl ganz zu Unrecht befürchtet hatte, spricht aber doch das manchmal nicht ganz spannungsfreie Hortklima an, vor allem hätten alle Problem mit der Unsicherheit ihrer Weiterbeschäftigung, auch werde natürlich - „wie in Paraguay üblich“ - schon mal hinter dem Rücken kommuniziert. Aber mit abnehmender Tendenz.
Ich schlage unmittelbar eine Konferenz vor, gleich für den nächsten Tag:
12 Uhr gemeinsames Essen (PPI zahlt) auf dem Markt, darauf bin ich gespannt, und danach von 13 bis 14.30 Konferenz, in der alles offen beredet werden soll.
Ich erläutere meine Rolle als Zuhörer und anschließender Informant von Ute als Projektleiterein der PPI, und dass wir dann gemeinsam mit unserem Vorstand entscheiden, was zu entscheiden ist.
Daily ist ein „ruhender Pol“ im Hort, so mein Eindruck.
Sie hat große Sorge, dass in 2011 für sie schon Schluss sein könnte und fragt vorsichtig nach der von ihr sehr geschätzten Inka Heen, die ihr Gehalt 2010 übernommen hatte. Sie hat aber Inka immer noch nicht geschrieben ...
Ich erkläre ihr lediglich, dass ihre Weiterbeschäftigung nicht von einer möglichen weitere Förderung Inkas abhängt, sondern von PPI insgesamt.
Am nächsten Tag....
gehen wir alle zusammen (nur Gloria fehlt leider entschuldigt) zu Fuß vom Hort quer über den Markt in ein kleines neues Lokal an der Straße. Silverio, Elisabeth´s Mann und der autistische Tobias sind auch dabei. Kosten für Essen und Trinken für acht Personen = 80.000 G., also 13,50 Euro - unglaublich! .
Danach Versammlung im aufgeräumten Hort an einem großen Tisch, recht entspannte Atmosphäre - alle liefern Redebeiträge und hören sich zu, es geht diszipliniert zu. Das war nicht immer so.
Elisabeth eröffnet, begrüßt mich und bittet um offene Aussprache.
Davon mache ich Gebrauch: Nach freundlichen Worten des Dankes und Grüßen von Ute und Vorstand PPI gehe ich auch einige kritische Punkte an, vor allem die oft nicht reibungslos funktionierende Kommunikation mit uns PP´isten.
Ich betone die Wichtigkeit von „Rückmeldungen“ für unsere Spender!
(Wir finanzieren 80 % des Budgets, müssen Jahr für Jahr ca.17.000 Euro
aufbringen!)
Von der Praktikantin Mania erbitte ich einen Arbeitsbericht, von Daily den fälligen Dankesbrief an die Spenderin ihres Gehaltes! Sie entschuldigt sich.
Die Fliesen sollen verlegt werden, alle fänden das gut, Erzieher Gustavo, der mal Architektur angefangen hat, soll das Projekt betreuen. Wir planen, noch während meines Aufenthaltes alle zusammen - mit einigen großen Hortkindern - nach Atyrá ins „Marianela“ zu fahren. Pater Attilio soll uns die notwendige Menge ihrer italienischen Restfliesen aus der Tagungsstätte der Redentoristen überlassen . Begeisterung über den Plan, mir wird wieder einmal klar, dass zu den Projekten auch schöne gemeinsame Erlebnisse gehören.
Viele weitere Punkte werden angesprochen:
Zur Wahrung des Betriebsklimas gilt die Abmachung direkter Ansprache bei
Problemen mit Kollegen, das sei nicht einfach, gelinge aber immer besser.
Die deutsche Praktikantin macht sich beim Thema Gehalt zur Sprecherin für ihre paraguayischen KollegInnen: Alle hätten gern mehr, mit 1.200.000 G.
(ca. 200 Euro) käme man einfach nicht aus.
Das trägt jetzt auch jede® einzelne ganz persönlich vor, auf seine Situation bezogen.. Vorschlag Elisabeth: Wenn Antrag an PPI, dann mit der Auflage, irgendeine „Spezialität“ zu erwerben, die eine Erhöhung rechtfertige.
Ich ergänze und rate dringend, einmal im einzelnen die Arbeitsbelastung genau aufzuschreiben.
Ich erlebe eine offene und konstruktive Atmosphäre. Alle beteiligen sich aktiv.
Viel Selbstbewusstsein, man ist sich der Wichtigkeit der Arbeit bewusst.
Lob meinerseits, Daily fasst die verabredeten Punkte noch mal zusammen, ich fordere Elisabeth auf, möglichst rasch an Ute einen Bericht aus ihrer Sicht zu
schicken, was sie zusagt.
Der Kaffee schmeckt „interessant“!
„Interesante“ ist das Universalwort in Paraguay für alles zwischen „gut“ und „schrecklich“ .....
Besuch an der Escuela Básica No. 5638 „Padre Dr. A. Terstiege“
Ja - genau so heißt diese Schule.
Ich hatte Herrn Terstiege aus Münster, Bruder des Schulgründers, zugesagt, bei der Projektabwicklung für die Schule in Saldivar, 35 km von Asunción, zu vermitteln. Inzwischen ist es „seine“ Schule, in Münster hat er bei Freunden und Verwandten dafür gesammelt, über die Homepage geriet er an die PPI.
Nach Verabredung holt uns Schulleiter Gustavo Esquirel mit seinem Mofa an einer Tankstelle ab und fährt uns zur Schule voraus.
Sadit Cano, die Frau des Kinderarztes von „Barrio Obrero“ und der 83jährige Freund Oscar Mongelós, ein kluger Paraguayer, der viel von Menschen und Sachen versteht, kennen und schätzen sich - ein ideales Team, um die geplanten Arbeiten an der Schule zu beaufsichtigen.
Ich konnte die beiden für dieses Projekt gewinnen
Wir besprechen uns im Lehrerzimmer.
Vorschullehrerin M. Celeste Servian Torres, die für Schulleiter Gustavo ein „Glücksfall“ zu sein scheint, soll mit ihren Vorschulkindern vor allem von den Geldern aus Münster profitieren.
Besuch der Klassen, Schock über den desolaten Zustand von Böden, Türen, Fenstern, Mobiliar (ein Sammelsurium) - auch das Schuldach macht nicht den besten Eindruck, wohl sind die Decken der Räume recht ordentlich.
Einigkeit, dass „sehr viel zu tun ist“; aber kein Frust.
Wie verbleiben wir?
Sadit kümmert sich um die Frage, wie nach der verschärften Gesetzeslage das Geld über den Teich kommt, ob sie als Privatperson überhaupt das Geld erhalten kann (und will). Sie übernimmt die Kontrolle und Schlussabrechnung, mit 10% Vergütung ist sie einverstanden.
Oscar begeleitet sie auf den regelmäßigen Fahrten zur Schule, bringt seinen Sachverstand und seine Lebenserfahrung ein, Schulleiter Gustavo berichtet an Herrn Terstiege in Münster, bringt die (bereits vorhandenen) Kostenvoranschläge u. U. auf neuen Stand, schaut schon mal nach Handwerkern..
„Hasta luego!“
Ich würde mich freuen, wenn die Vermittlung gelingt!